Verbrannte Bücher, verbotene Autoren
Am heutigen 8. Mai wird der "Demokratiebus" zum Vorlesebus. Im Gedenken an die Bücherverbrennungen 1933 und deren Folgen wird am 8. Mai der "Demokratiebus" zum Vorlesebus. Über den Tag hinweg werden im Bus, während er auf seiner Linie 695 in der Landeshauptstadt Potsdam unterwegs ist, Texte von Autoren, deren Bücher verbrannt oder verboten wurden vorgelesen.
Jann Jakobs, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Potsdam, und Heilgard Asmus, Generalsuperintendentin und Vorsitzende des Aktionsbündnisses Brandenburg gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit werden die Lesung eröffnen. Jann Jakobs: "Diese Lesung im Bus ist eine ausgezeichnete Möglichkeit, möglichst viele Potsdamerinnen und Potsdamer und unsere Gäste an die Ereignisse von 1933 zu erinnern. Erinnern und Gedenken - wider das Vergessen - das ist unser aller Aufgabe."
Auch öffentliche Bibliotheken wurden dazu angehalten, ihre Bestände entsprechend zu "säubern" und die indizierten Bücher zu entfernen. Dieses wurde von dem bibliothekarischen Fachverband ausdrücklich unterstützt, in dem die Verbotslisten entsprechend veröffentlicht wurden. "Mit Blick auf die unrühmliche Rolle einiger Bibliothekare, ist es mir ein besonderes Anliegen, im Demokratiebus aus den Werken verbrannter Dichter zu lesen", sagt Marion Mattekat, Direktorin der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam.
Pete Heuer wird aus Albert Hotopp, Fischkutter H.F.13 lesen. Pete Heuer ist bei Recherchen zur Familiengeschichte u.a. auf dieses Werk seines Urgroßvaters gestoßen, auch dieses zählte während der NS-Diktatur zu den verbotenen Werken.
Für die Fahrgäste wird kostenlos eine Broschüre bereit gehalten, in der aus den vorgetragenen Texten zitiert ist. Dies, so hoffen die Veranstalter, könnte eine Anregung sein, selbst wieder einmal bewusst sich dieser Literatur zu widmen.
Kurz nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 kam es im März im Zuge einer "Aktion wider den undeutschen Geist" zu einer organisierten und systematisch vorbereiteten Verfolgung vieler Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Dabei handelte es sich um eine von der Deutschen Studentenschaft geplanten und durchgeführten Aktion unter Führung des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB). Höhepunkt waren die am 10. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz und in mehr als 20 anderen deutschen Universitätsstädten groß inszenierten öffentlichen Bücherverbrennungen, bei denen zehntausende Werke verfemter Autoren von Studenten, Professoren und NS-Organen ins Feuer geworfen wurden.
Am Abend des 22. Mai 1933 wurde Bassinplatz in Potsdam zum Ort der Bücherverbrennung. Organisiert wurde die Bücherverbrennung von den nationalsozialistischen Jungarbeiterbetriebszellen (NSJB). Diese veranstalteten zusammen mit der HJ, dem BDM, den Jugendgruppen der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) und des Deutschen Holzarbeiterverbandes (DHV). Hauptredner war der örtliche NSBO-Führer der Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO) Oppeln von Bronikowski. Originalzitat aus der Potsdamer Tageszeitung vom 23.5.1933: "Dann wurde die erste Strophe des Deutschlandliedes gesungen und hierbei ein großer Stapel von marxistischen und Schundbüchern angezündet. Während die Flammen lodernd als Zeichen der Reinigung emporschlugen und all die Bücher vernichteten, die in den Schulen, zu Hause und vor allen Dingen in den Bibliotheken der Betriebe unsere Jugend in den letzten 14 Jahren vergiften sollten, sprach der Kreisleiter der Betriebszellenorganisation, Oppeln von Bronikowski von der gründlichen Reinigung, die überall im Deutschen Reich vorgenommen worden sei und die auch uns veranlasst hat, alles zu sammeln, was der Jugend schädlich sein könne, um es den Flammen zu übergeben" (http://www.brandenburg-33.de/bucherverbrennung-in-potsdam/).
Veranstalter der Lesung sind die Landeshauptstadt Potsdam in Zusammenarbeit mit ViP GmbH, Neues Potsdamer Toleranzedikt e.V., RAA Brandenburg, medienlabor KG, Aktionsbündnis Brandenburg Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit
Zur Entstehung des "Demokratiebusses"
In Vorbereitung des 80. Jahrestages der Machtübertragung an die NSDAP war das Projekt "Demokratiebus" von herausragender Bedeutung. Die Gedanken "Demokratie. Ich fahr mit!" und "Demokratie bewegt uns!" waren die Grundlage eines Schülerworkshops, an dem 23 SchülerInnen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren der Voltaire-Gesamtschule und des Leibniz-Gymnasiums. Im Ergebnis dieses workshops stand ein inhaltliches und visuelles Konzept zur Gestaltung eines Linienbusses der ViP. Der gestaltete Bus fährt seit dem 20. März abends täglich auf seiner Route und somit weithin sichtbar als Sinnbild der Demokratie.
Potsdam, 08.05.2013Veröffentlicht von:
Stadtverwaltung Potsdam
