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Potsdam, 06.09.2011

Wirtschaft gegen Änderung der Kommunalverfassung

Gegen die Gesetzesänderung haben sich in einem Brief die Landesarbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern des Landes Brandenburg, der Handwerkskammertag des Landes Brandenburg, die Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg e.V, die Unternehmerverbände Berlin und Brandenburg, der Bauindustrieverband Berlin-Brandenburg e.V. sowie der Fachverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Berlin und Brandenburg e.V. an die Brandenburger Landtagsabgeordneten und Fraktionsvorsitzenden, an die Minister für Wirtschaft und Europaangelegenheiten, Ralf Christoffers, und des Innern, Dr. Dietmar Woidke, an die Staatskanzlei, an den Landkreistag sowie an den Städte- und Gemeindebund gewandt.

Darin kommt zum Ausdruck, dass die private Wirtschaft neben der Konkurrenz durch kommunale Unternehmen zusätzlich Wettbewerbsverzerrungen befürchtet. Mit der geplanten Änderung der Kommunalverfassung greife die Landesregierung massiv in das Verhältnis von Privat- und Staatswirtschaft zu Lasten kleiner und mittelständischer Unternehmen ein: Der bestehende Vorrang der Privatwirtschaft bei der Erledigung öffentlicher Aufgaben soll entfallen. Die Kommunen sollen bei ihrer Wirtschaftstätigkeit kaum noch an ihr Gebiet gebunden sein und die so genannten Nebenleistungen – Tätigkeiten, die der Privatwirtschaft vorbehalten sind - dürfen fast uneingeschränkt erbracht werden.

Deshalb fordern die Unterzeichner einen Handlungsrahmen für die Kommunen mit folgenden Einschränkungen:

  • Subsidiarität: Kommunale Unternehmen dürfen nur dann tätig werden, wenn diese Tätigkeit der Daseinsvorsorge der Bürger dient und diese kommunalen Unternehmen wirtschaftlicher sind als Unternehmen des freien Marktes.
  • Territorialprinzip: Leistungen der kommunalen Betriebe dürfen nicht über die kommunalen Grenzen hinaus angeboten werden.
  • Annextätigkeiten: Zusätzliche Dienstleistungen der Kommune sollen nur zulässig sein, wenn sie im Vergleich zum Hauptzweck eine untergeordnete Rolle spielen.
  • Stellungnahme der Wirtschaftskammern: Wollen Kommunen sich neue Felder wirtschaftlicher Tätigkeit erschließen, sind im Vorfeld die zuständigen Wirtschaftskammern in Brandenburg zu hören.
  • Drittschutz: Unternehmern, die von der Konkurrenz der Kommunalwirtschaft betroffen sind, muss ein Klagerecht eingeräumt werden.


Im Einzelnen äußerten sich die Unterzeichner zu der beabsichtigten Gesetzesänderung:

Dr.-Ing. Victor Stimming, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam: „Daseinsvorsorge für die Bevölkerung – das muss das Hauptziel kommunaler Unternehmen sein und bleiben. Es darf nicht sein, dass die Kommunen neue Kreisläufe schaffen und bestehende damit gefährden. Schließlich ist der Mittelstand nicht nur als Arbeitgeber eine Hauptsäule für den Wohlstand in Deutschland sondern ebenfalls als Steuerzahler. Außerdem müssen Gebietskörperschaften besser mit ihren Einnahmen haushalten und die Bürger nicht mit monopolisierten Dienstleistungen zur Kasse bitten.“

Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg e.V. (UVB) dazu: „Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung kann es sinnvoll sein, Angebote der öffentlichen Daseinsvorsorge beispielsweise bei Krankenhäusern in ländlichen Gebieten über Grenzen von Gebietskörperschaften hinaus auszudehnen. Dennoch muss dies im Rahmen von Ausnahmeregelungen erfolgen und nicht durch ein pauschale Bevorteilung kommunaler Unternehmen. Die UVB sieht daher dringenden Handlungsbedarf, den Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung zu überarbeiten.“

Bernd Ebert, Präsident des Handwerkskammertages des Landes Brandenburg: „Es darf nicht dazu kommen, dass Stadtwerke in Wirtschaftsbereiche des Handwerks vordringen. Mit Daseinsvorsorge hat es nichts zu tun, wenn städtische Bauhöfe für Privatkunden Wohnungen malern oder Wege pflastern. Ein solcher Wettbewerb zwischen Kommunen und Handwerk wäre niemals fair. Städtische Unternehmen können quer finanzieren und Gewinne und Verluste verrechnen. Handwerksbetriebe haben diese Möglichkeit nicht.“

Axel Wunschel, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Berlin-Brandenburg e.V. „Die von ‚Rot-Rot‘ mit dem Gesetzentwurf ausdrücklich gewollte Ausweitung der unternehmerischen Betätigung der öffentlichen Hand geht an dem vorbei, was Bürger von öffentlicher Verwaltung erwarten. Ein fairer Wettbewerb setzt voraus, dass für alle gleiche Rahmenbedingungen gelten. Die geplante Bevorzugung öffentlicher Unternehmen, die noch dazu teilweise schlechtere Arbeitsbedingungen als Private gewähren, missachtet diese Grundbedingung. Unsere Mindestforderung lautet daher: Öffentliche Unternehmen sind gesetzlich zu verpflichten, mindestens die gleichen Wettbewerbsbedingungen einzuhalten wie private Unternehmen im vergleichbaren Betätigungsfeld.“

Reinhold Dellmann, Hauptgeschäftsführer der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg: „Wird die wirtschaftliche Betätigungsmöglichkeit von Kommunen in Brandenburg per Gesetz ausgeweitet, gibt es massive Nachteile für kleine und mittelständische Baubetriebe. Diese unterliegen auf Dauer im Wettbewerb mit kommunalen Bauhöfen, die Leistungen ohne eigenes wirtschaftliches Risiko und damit billiger anbieten können, und würden vom Markt verdrängt werden. Ein solcher Eingriff in den freien Wettbewerb hätte damit unberechenbare Folgen für Arbeitsmarkt und Wirtschaftskraft ganzer Regionen. Der Gesetzentwurf muss deshalb komplett überarbeitet werden.“

Gundolf Schülke, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostbrandenburg: „Es stellt sich die Frage, warum ein Gesetz ohne Not geändert wird. Uns ist nicht bekannt, dass nach bisheriger Rechtslage, Kommunen in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit beeinträchtigt wurden. So aber wird ein Signal in die falsche Richtung gesandt. Kommunen werden geradezu aufgefordert, ihre Haushalte durch wirtschaftliche Aktivitäten zu sanieren. Damit entsteht den privaten Unternehmen eine Konkurrenz, die mit ihren Steuermitteln finanziert wurde. Weitere Vorteile für die öffentlichen Unternehmen verzerren den ungleichen Wettbewerb noch mehr.“

Dr. Wolfgang Krüger, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Cottbus: „Es kann nicht sein, dass die Haushaltsprobleme der Kommunen zu Lasten der Wirtschaft gelöst werden sollen. Es ist schon ein einzigartiger Vorgang, wenn sich Brandenburg als einziges Bundesland vom Subsidiaritätsprinzip verabschiedet und so die Tür für eine unkontrollierbare wirtschaftliche Betätigung der Kommunen und damit des Staates öffnet. Dadurch werden die regionalen Unternehmen in ihren wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten massiv behindert. Ein Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Landes Brandenburg ist dieses Gesetz nicht.“

Oliver Hoch, Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Berlin und Brandenburg e.V.: „Vor allem die Ausweitung des Tätigkeitsbereiches kommunaler Betriebe um zusätzliche Leistungen wird für die Unternehmen des Garten- und Landschaftsbaus massive Beeinträchtigungen bringen. Es darf nicht Aufgabe der öffentlichen Hand werden, Gestaltung und Pflege von Grün auf dem freien Markt anzubieten. Der Handlungsrahmen kommunaler Betriebe muss auf den Bereich der öffentlichen Aufgaben im Rahmen der Daseinsvorsorge begrenzt werden.“

Potsdam, 06.09.2011

Veröffentlicht von:
Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam

Info Potsdam Logo 2011-09-06 11:28:05 Vorherige Übersicht Nächste


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